Kardinal Schwarzenberg Klinikum

Marc Brandstätter, BScN
Marc Brandstätter, BScN

IPK nach Indikation im akuten Setting

Das IPK findet nicht nur in der Langzeitpflege seine Anwendung, sondern auch bereits seit vielen Jahren im Akutkrankenhaus. Als einer der Vorreiter ist hier sicherlich das Kardinal Schwarzenberg Klinikum in Schwarzach/Pg. anzuführen.   

Da das IPK ein umfassendes Konzept darstellt, kann dieses nicht bei jedem Patienten im Krankenhaus seine Anwendung finden und wenn, auch nicht immer mit allen Bestandteilen daraus.

Lebensnetz nach Maria Riedl
Lebensnetz nach Maria Riedl

Die Anwendung des Konzeptes im Krankenhaus ist sicherlich sehr anspruchsvoll und kann auch nicht mit dem Einsatz im sub­akuten Bereich oder in der Langzeitpflege verglichen werden. Jedoch kann auch im hoch akuten Setting mit einer sehr kurzen Verweildauer und einer Vielzahl akut­medizinischer Probleme zumindest mit Elementen aus dem IPK gearbeitet werden.

1. Ziele, die mit dem IPK im Krankenhaus verfolgt werden

Das IPK stellt im akuten Setting einen er­weiterten Pflegeansatz dar, um speziell den Bedürfnissen älterer und psychisch ver­änderte Menschen gerecht zu werden.
Die nachfolgend angeführten Ziele werden grundsätzlich mit dem IPK verfolgt: 

  • Alte Menschen verstehen zu lernen
  • Hilfen zur Anpassung im Krankenhaus zu geben
  • Eine altersgerechte Umgebung auch im Krankenhaus zu schaffen
  • Die Würde des Menschen auch in kritischen Situationen zu erhalten
  • Den verbrauchten Körper zu trainieren
  • Das veränderte Gedächtnis zu nutzen und zu trainieren
  • Die Weisheit des Alters anzuerkennen und nicht zu korrigieren
  • Familienangehörige und Freunde mit zu begleiten
  • Den Menschen als den, der er immer war, zu integrieren und einzubeziehen
  • Die Gegenwart und Zukunft an der Vergangenheit des alten Menschen zu orientieren
  • Ganzheitliche pflegerische Möglich­keiten bei Erkrankungen des Alters einzusetzen
  • Durch Verbindung anerkannter Konzepte eine zeitgemäße Begleitung und Pflege zu ermöglichen
  • Pflegerische Interventionen nachvollziehbar durch das IPK zu entwickeln und zu begründen

2. Geltungsbereich und Verantwortlichkeit

Das IPK kann im Krankenhaus nur in Bereichen angewendet werden, wo zertifizierte Praxisanwender tätig sind, als Multiplikatoren agieren und nicht geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anleiten.  

Grundsätzlich sind Pflegepersonen in jedem Setting rechtlich und ethisch dazu ver­pflichtet, die Selbständigkeit erhaltend bzw. fördernd und vor allem ganzheitlich zu arbeiten. Jede Pflegeperson hat sich zumindest um einen ganzheitlichen Ansatz zu bemühen. Zur Anwendung des integrativen Ansatzes sind ausgebildete IPK Praxisanwender notwendig.

3. Prozess für den Einsatz des IPK nach Indikation im Akutkrankenhaus

Das IPK wird anlassgebunden, also nach Indikation in den täglichen Pflegeprozess integriert. Unterstützende Materialen können sein: Angepasste Hilfsmittel nach Bedarf (z.B. Orientierungshilfen, persönliche Gegenstände von zu Hause, Beschäftigungsangebote, Merkhilfen, White-Boards, Lupen, Bilder von zu Hause) und ggf. Dokumente und Literatur zum IPK.  

Hauptelemente aus dem IPK, die im Akutkrankenhaus Anwendung finden können:

  • Anpassungshilfen
  • Training der lebenspraktischen Fähigkeiten
  • Psychische Pflegediagnostik
  • Biografie- und Identitätsarbeit
  • Gefühlsarbeit

    Prozessgrenzen
    Der Prozess beginnt mit Start des regulären Pflegeprozesses. Dieser wird nach Bedarf vor allem in der Informationssammlung und Maßnahmensetzung mit Elementen aus dem IPK ergänzt. Der Pflegeprozess im Integrativen Pflegekonzept baut auf einer vernetzten Sicht des ganzen Menschen auf.
Abbildung: Riedl M., 2010
Abbildung: Riedl M., 2010

Körper, Psyche, soziale Situation, die Bio­grafie des Menschen, die Identitätssäulen, Copings und Regression werden in ihrem Zusammenwirken für die Situation des Menschen beobachtet und zur Pflegediagnostik verwendet.

4. Indikationen für den Integrativen Ansatz im akuten Setting

  • Bei psychogeriatrischen Krankheits­bildern (z.B. Demenz, Delir, Alters­depression, Sucht im Alter)
  • Bei hochbetagten Patienten
  • Bei delirgefährdeten Patienten
  • Bei emotionalen Problemen (z.B. Angst, Traurigkeit, Aggression)
  • Bei Patienten, die sich an die Ausnahmesituation Krankenhaus nicht anpassen können

Prozessschritte

Abbildung: Riedl M., 2006
Abbildung: Riedl M., 2006

 I. Die Informationssammlung besteht im IPK aus: 

  • Psychischen Elementarfunktionen (EF)
  • Den körperlichen Lebensbereichen (LB)
  • Regression (Re) 
  • Copings und Ressourcen 
  • Biografiearbeit (biografische Anamnese, Zeitleiste zur Identitäts­entwicklung, Genogramm, Erhebungsdokument für die Gefühlsbiografie) 
  • Ärztliche Diagnosen

II.  Pflegediagnosen, Ressourcen und Copings
des Patienten werden festgestellt.
Bedenke: sind psychische Pflegediagnosen erforderlich? Welchen körperlichen, psychischen, sozialen und biografischen Ressourcen hat der Patient? 

III.  Pflegeziele
werden im körperlichen, psychischen, sozialen und biografischen Bereich festgelegt.

IV.  Pflegemaßnahmen
werden für Körper, Psyche und Biografie geplant. 

V.  Durchführung der Maßnahmen
Maßnahmen müssen im Team einheitlich durchgeführt werden, die erbrachte 
Leistung muss im Durchführungsnachweis abgezeichnet werden.

VI.  Der Pflegeplan wird regelmäßig evaluiert
Dies ist erforderlich, um die Leistungsfähigkeit, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen zu beurteilen. Darauf folgt die Neuanpassung der Pflegeplanung.

Wichtiger Hinweis:
Seit 1997 ist die Pflegedokumentation (§5) als berufliche Pflicht angeführt. 
Die Dokumentation sowie die Pflege an und für sich hat ganzheitlich zu erfolgen. Laut Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (§14) sind Kernkompetenzen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege die eigenverantwortliche Diagnostik, Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle aller pflegerischen Maßnahmen

Ergebnis
Durch die Anwendung des IPK oder Elementen daraus wird verhindert, dass die Pflege auf somatische Grundbedürfnisse reduziert wird. Psychische, soziale und biografische Faktoren werden miteinbezogen.  
 
Das Gedächtnis und der Körper werden über den Akutaufenthalt trainiert und Emotionen werden stabil gehalten. Zudem wird die Umgebung so gestaltet, dass sich der Patient ausreichend zurechtfindet und anpassen kann.  

Die Pflege wird aktivierend und reaktivierend ausgerichtet, damit ein geistiger und/ oder körperlicher Abbau über die Aufenthaltsdauer verhindert oder zumindest verzögert werden kann.

5. Chancen die sich durch den Einsatz des IPK im akuten Setting ergeben

  • Umsetzung einer ganzheitlichen Pflege
  • Haltungsänderung bei Betreuungspersonal gegenüber Alter und Alterserkrankungen
  • Integrierte pflegerische Delirprävention
  • Reduktion von herausfordernden Verhaltensweisen bei psycho­geriatrischen Erkrankungen (vor allem bei Menschen mit Demenz)
  • Abwendung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen
  • Patientensicherheit/-zufriedenheit und Mitarbeiterzufriedenheit steigen durch erweitertes Pflegeangebot bzw. erweiterte Handlungsmöglichkeiten

6. Literatur

  • Brandstätter M. (2018): Die pflegerische Verantwortung in der Versorgung alter Menschen im Krankenhaus. In: Integrative Pflege. Mitgliederzeitschrift des Vereins AGPK 2018/1, S. 9-14
  • Brandstätter M. (2016): Der Integrative Ansatz im Akutkrankenhaus. In: Integrative Pflege. Mitgliederzeitschrift des Vereins AGPK 2016/3, S. 11-14
  • Brandstätter M.; Riedl M.; Deufert D. (2016): Die Selbständigkeit fördern, Versorgungsbrüche vermeiden. Pflegerisches Entlassungsmanagement bei geriatrischen Patienten. In: Integrative Pflege. Mitgliederzeitschrift des Vereins AGPK 2016/2, S. 9-11
  • Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG §12-14) https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011026 (15.7.2018) 
  • Riedl M.; Nocker S. (2015): Die Anwendung des Integrativen Pflegekonzeptes® im Akutkrankenhaus. In: Integrative Pflege. Mitgliederzeitschrift des Vereins AGPK 2015/1, S. 9-14
  • Riedl M. (2006a): Integratives Pflegekonzept, Band 1: Grundlagen. Norderstedt: Books on Demand
  • Riedl M. (2006b): Integratives Pflegekonzept, Band 2: Zeit- und Kulturgeschichte. Norderstedt: Books on Demand
  • Riedl M. (2006c): Integratives Pflegekonzept, Band 3: Pflegeprozess. Norderstedt: Books on Demand
  • Riedl M.; Sachs E.; Hopfgartner I.; Krapinger S. (2008): Integratives Pflegekonzept, Band 4: Pflegediagnosen. Norderstedt: Books on Demand
  • Riedl M. (2010): Auf dem Weg zur Identität. Unterrichtsskriptum Ausbildung zum Praxisanwender, M2.