Eine Zeit voll Dankbarkeit und Traurigkeit

Rückblick von Maria Riedl

psych. OPfl. E. Böhm
psych. OPfl. E. Böhm

Im Sommer 1989 lernte ich Erwin Böhm kennen. Ich war von seinem Buch „Krankenpflege - Brücke in den Alltag“ angetan.
Als Stationsleitung einer Internen Abteilung im damaligen Sonderkrankenhaus St. Veit im Pongau wollte ich erfahren, welche Möglichkeiten für die Begleitung alter Menschen im In- und Ausland Anwendung finden. In dieser Zeit lernte ich auch Naomi Feil und Liliane Juchli persönlich kennen.

Jedoch hatte mich Erwin Böhm mit seiner angriffigen Art sofort fasziniert. Ich lernte eine teilweise sehr harte, aber auch ehrliche Sprache über Pflege kennen. Schon am ersten Tag beim Wienbesuch auf der Baumgartnerhöhe wusste ich, ich möchte mehr von Erwin kennenlernen. So geschah der Start in eine neue Pflegezukunft. Nach meinem Praktikum in Wien folgten viele Fortbildungstage mit Böhm.

psych. OPfl. E. Böhm und DGPK Maria Riedl
psych. OPfl. E. Böhm und DGPK Maria Riedl

Jedoch wusste ich von Beginn an, um Ideen Böhms nach Salzburg in die allgemeine Pflege zu bringen, braucht es wesentliche Veränderungen seiner revolutionären Ideen in der psychiatrischen Pflege. Ich begann also „Böhmideen“ zu verändern, um diese für mich als Maria Riedl „brauchbar“ zu machen.

Bald versuchte ich, durch Vorträge und Mitarbeiterschulungen begeisterungsfähige KollegInnen zu finden. Dies gelang sehr schnell. So behaupte ich, dass ich Erwin Böhm ab 1990 den Weg in die allgemeine Pflege in Salzburg ebnete.

Ich hielt Erwin immer am Laufenden mit meinen Skripten, Unterlagen und allem, was ich in meine Seminare hineinpackte. Jedoch ging inhaltlich die Schere zwischen Riedl und Böhm immer weiter auseinander. Freud's Theorien, die Erwin in sein Modell hineinpackte, waren für mich nicht brauchbar.

Dr. Marc Avarello
Dr. Marc Avarello

Erwin ließ mich gestalten. Als Böhmlehrerin brachte ich mit meinen Honoraren ziemlich viel Geld. Viel Geld auch für Böhm. Von jedem meiner Honorare bekam der Verein AGPK damals 40% Lehrerabgabe.

In Laufe der Jahre war ich für alle die „Maria Riedl vom Böhm.“ Ich fühlte mich sicher, weil mir im Lauf der vielen gemeinsamen Jahre zugesichert wurde, dass meine Ideen in das Böhm-Modell einfließen und eine evtl. Benennung auf Riedl-Böhm

passieren würde. Ich arbeitete sehr viel, sehr fleißig, um aus dem (Ursprungs-)Modell eine brauchbare, pflegbare Lösung zu gestalten. Besonders Marc Avarello vom Seniorenbüro Luxemburg „puschte“ mich sehr, indem er mir immer wieder bestätigte, wie wichtig meine Ansätze für die Praxis seien.

Ich verließ mich darauf, dass alles seinen Weg gehe. Bis zu dem Zeitpunkt, wo ich den ENPP-Vertrag unterschreiben hätte sollen, der absolut gegen alle bisherigen Vereinbarungen ging. Ich unterschrieb nicht und „flog“ sofort aus dem ENPP-Kreis. Ich war enttäuscht, diese Vorgehensweise tat sehr weh. Tiefe Trauer überkam mich. 
Gestärkt wurde ich durch Kolleginnen, die schon jahrelang meine Inhalte lebten und in ihren Teams versuchten, die „Riedl-Ideen“ umzusetzen.

psych. OPfl. E. Böhm
psych. OPfl. E. Böhm

Erwin Böhm schrieb am selben Tag, als ich den Vertrag nicht unterschrieb,  an alle unsere damaligen Kunden (Leitungen von Seniorenheimen, Krankenhäusern usw.), dass ich sein Modell nie verstanden hätte, dass, was ich unterrichte, nichts mit seinem Modell zu tun hätte.

Mit diesem Mail gab er mir die Chance, meine Inhalte aus dem Böhm-Modell zurückzuholen und den Weg für das IPK nach Maria Riedl frei zu machen. Der Bruch passierte 2002 offiziell, obwohl er sich früher angekündigt hatte.

Mag. Dr. Maria Riedl
Mag. Dr. Maria Riedl

Im Jahr 2005 war mein IPK soweit fertig, dass die Markeneintragung möglich wurde. Trotz allem trage ich die Dankbarkeit für viele gute Jahre in meinem Herzen. Wer das Böhm-Modell und das Integrative Pflegekonzept kennt, weiß, dass es fast keine Berührungspunkte gibt. Selbst die Biografiearbeit unterscheidet sich. Beide Ansätze können gut nebeneinander leben, sie bauen auf völlig verschiedenen Theorien auf.

So kann ich abschließend mit Dankbarkeit feststellen, dass ich nur durch die Trennung meinen eigenen Weg uneingeschränkt gehen durfte. Erwin Böhm hat mir also die Möglichkeit gegeben, trotz 14-jähriger Zusammenarbeit meine Unabhängigkeit zu erreichen.
Siehe auch: Auflösung des AGPK, Trennung von AGPK und enpp