Autorin: Maria Riedl
Der ÖGKV-Pflegekongress am 18. April 2024 in Villach hat sich das Thema: „Recht auf professionelle Pflege“ als Titel gewählt (Foto oben: Kongress 2006). Somit ist die Brisanz des Themas unumstösslich, selbst wenn viele KollegInnen aus der Praxis immer noch mit allen Mitteln versuchen, der ganzheitlichen Pflegediagnostik zu entkommen. Der derzeitige Pflegenotstand wird dazu oft als Argumentationsgrundlage dagegen verwendet. Schade! Ich bin zum Kongress mit einem Impulsreferat und für das Workshopthema: „Ganzheitliche Pflegediagnostik ist möglich“ mit Kolleginnen aus der Praxis anwesend. Eine besondere Ehre! Seit 1992 war ich nicht mehr als Rednerin beim ÖGKV-Kongress. Es wird eine besondere Erfahrung werden, nach so langer Zeit wieder als Referentin geladen zu sein.
1984 formulierte Irmgard Kappelmüller in ihrem Buch „Der Pflegeprozess“ die Schritte des Pflegeprozesses als „Leitfaden für die Anwendung“. Schon damals starteten sehr engagierte Pflegepersonen ihre ersten Versuche, Beiträge für die prozesshafte Darstellung ihrer wertvollen pflegerischen Arbeit zu leisten. Viele Jahre lang blieb es bei einem kleinen Grüppchen von Vorreitern. Diesen Pionierinnen um Sr. Antonina Erharter und Sr. Seraphina (Theresia) Höller gilt heute mein persönlicher Dank. Sie haben mich ab 1986 motiviert, an der Pflegeplanung zu arbeiten. Was aber für immer mehr Pflegepersonen bedeutsam wurde, war das Ziel der Eigenständigkeit im Beruf. Dieses Ziel brauchte Jahre, bis es erreicht wurde. In der Novelle von 1997 wurde die Eigenverantwortlichkeit des gehobenen Dienstes besiegelt. Es war eine große Chance und eine noch größere Herausforderung, die aber nicht alle Pflegepersonen zufrieden stellte. Noch heute wird die Pflegediagnostik häufig in Frage gestellt. Jedoch verlangt der eigenverantwortliche Tätigkeitsbereich des gehobenen Dienstes selbstverständlich auch die eigenverantwortliche Diagnostik, Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle aller pflegerischen Maßnahmen im intra- und extramuralen Bereich der Pflege (GuKG §14). Die Pflegedokumentation ist ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung und dient der Patientensicherheit. Sie macht pflegerische Tätigkeiten nachvollziehbar und überprüfbar.
Als Autorin des Integrativen Pflegekonzeptes (2006) konnte ich mein persönliches Ziel erreichen, die ganzheitliche Pflegediagnostik für mein Konzept zu publizieren und dadurch das Konzept auf die erlaubten Tätigkeitsbereiche aller in der Pflege tätigen Berufsgruppen abzustimmen. 2008 wurden die Pflegediagnosen für das Integrative Pflegekonzept® mit drei Mitautorinnen aus der Praxis publiziert. Im Integrativen Pflegekonzept geschulte Pflegepersonen pflegen seitdem mit den Grundlagen der ganzheitlichen Pflegediagnostik.
Mit der GuKG-Novelle von 2016 wird die eigenverantwortliche Diagnostik als Kernkompetenz des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege festgelegt. Ein ersehnter Meilenstein für die Berufsgruppe ist damit gelungen. Die Pflegeassistenzberufe (Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz) sind in die Diagnostik einzubinden. Somit können alle Berufsgruppen der Pflege die Qualität ihrer Arbeit und die Nachvollziehbarkeit der geplanten Pflegemaßnahmen gewährleisten. Professionelle Pflege ist ohne Pflegediagnostik nicht mehr vorstellbar. An der Kernkompetenz des gehobenen Dienstes ist festzuhalten!
Die eigenverantwortliche Pflegediagnostik als Kernkompetenz des gehobenen Dienstes ist unumstößlich festgeschrieben. Schön, dass wir als Berufsgruppe diese Chance bekommen haben. Ich vertraue darauf, dass viele KollegInnen ihre Chancen nützen und den Prozess der Diagnostik mit Stolz durchwandern und ihre Kompetenz durch hohe Pflegequalität zeigen.